Vor einiger Zeit fragte uns der Jarl von Fastnæmr Herjann, ob wir seinen Mittelalterverein nicht mit einem Gastbeitrag unterstützen könnten. Klar machen wir das gerne! In diesem Beitrag stellt sich der Verein vor, gibt einen Einblick in das Wirken und Werken, berichtet von den Folgen der Corona-Pandemie und zeigt in einem kurzen Tutorial wie ein Gjermundbu Helm gepimpt wurde.
Der Mittelalterverein Fastnæmr Herjann – Wie alles begann
Angefangen hat alles bei einem Bier und der Diskussion darüber, wer man ist und was man in seiner Freizeit gerne anstellt. «Du glaubst es nicht, aber ich arbeite gerade an einer Lederrüstung bei mir im Keller…», «…ist nicht wahr, ich habe bereits eine und zeichne an einem Plan für einen Axt-Griff…», «…was ihr auch? Ich liebe es in Gewandung auf Mittelaltermärkten herumzustreifen, für den Rüstungsbau fehlt mir jedoch der Platz…». Schnell wurden so die eigenen Interessen zu einem gemeinsamen Hobby und daraus die Passion für alles rund um das Leben im Mittelalter, vor allem zu Zeiten der Wikinger und Kelten.
Seit nunmehr über drei Jahren sind wir ein Verbund aus Freunden die sich zu einem in der Schweiz ansässigen Stamm «Fastnæmr Herjann» zusammengeschlossen haben. Eben diese Passion und Faszination, welche bis ins Kindesalter zurück zu reichen scheint, verbindet uns bis heute. Wir organisieren uns dabei als Stamm und verhalten uns wie die Wikinger damals. Dabei konstituierten wir eine klare Hierarchie mit Rängen, Aufgabengebieten und Charakteren inklusive Stammesgeschichte.
Die Stammesgeschichte von Fastnæmr Herjann
«Fastnæmr Herjann ist ein stolzer, altnordischer Stamm aus dem fernen Norden. Der Stammesnahme bedeutet, die unbeugsamen, treu ergeben Vernichter. Der Stamm hat harte Jahre hinter sich und Stammeskriege in den Fjorden, Wälder und Gebirgen des harten nordens forderten ihren Tribut. Nur wenige sind übriggeblieben. Doch diejenigen die sich zusammenrauften treibt ein gemeinsamer Zusammenhalt und Überlebenswille an, so stark, auf dass selbst Thors Hammer zerberste, im Versuch diesen zu zerschlagen.
Unter dem neuen Jarl Úlfr ist der Stamm, oder besser was von ihm übriggeblieben ist, noch fest im fernen Norden verankert und konnte sich knapp behaupten. Doch zieht es die Mannen des Stammes unter der Führung von Úlfr immer wieder auf Erkundungs-, Streif- und Kriegszügen durch allerlei Landen. Sie sind auf der Suche nach Beute, Land, Wissen und möglichen Verbündeten, scheuen jedoch keine Feinde.»
Um weiter zu wachsen und uns besser zu organisieren, gründeten wir am 19.06.2020 offiziell einen in der Schweiz ansässigen Mittelalterverein.
Was wir als Mittelalterverein bewirken und erleben wollen
Seit unserem Zusammenschluss vor ungefähr drei Jahren, führen wir in der Region Bern einen eigenen, großen Werkraum. Dieser ist über die Zeit und aufgrund unserer Ansprüche stetig gewachsen und beinhaltet mittlerweile zig Geräte, Werkzeuge und Stationen sowie einen Lager- und Planungsbereich. Unser Ziel ist es so viel wie nur möglich selbst herzustellen. Sei es durch Gespräche mit Experten, Selbststudium oder durch einfaches Ausprobieren, wir eignen uns die jeweiligen Handwerke und das Wissen über die damalige Zeit selbst an.
Mittlerweile erlernten wir das Bearbeiten von Holz, Knochen, Horn und Leder und stellen beispielsweise Alltagsgegenstände, Instrumente, Rüstungsteile, Teile des Lagers oder Kleider selbst her. Gerne stellen wir später das Helmupgrade des Jarls als Beispiel vor. Dort wo wir an Grenzen stoßen, wie beispielweise dem Schmieden und Gerben, aber auch bei der Beschaffung von Rohmaterialien, sind wir auf Dritte angewiesen. Hierbei versucht der Mittelalterverein lokale Kleinbetriebe zu unterstützen, bei welchen wir Leder, Felle, Rohhäute, Holz und andere Materialien beziehen. Aber auch Battle-Merchant ist eine unverzichtbare Quelle um unter anderem Schmiedewaren (z. B. Schildbuckel) oder Verbrauchsgüter wie Kettenringe zu kaufen.
Die hergestellten Gegenstände tragen und präsentieren wir dann mit Stolz an diversen Mittelaltermärkten, Festen oder nehmen an Spielen oder gar LARP- Events teil. Bis Dato ausschließlich in der Schweiz.
Dabei bezweckt der Mittelalterverein Fastnæmr Herjann, nebst den oben vorgestellten Aktivitäten, die Förderung von mittelalterlichen Interessen sowie das Verbreiten von Wissen, Gedankengüter und der Freude am Mittelalter in all seiner Form.
An Events wollen wir den Leuten den Lebensstil von damals zeigen, wie man lebte, lagerte, feierte aber auch kämpfte. Unser Ziel ist es künftig auch Workshops anzubieten oder als Darsteller auf Märkten aufzutreten und so die Leute für die Zeit der Wikinger und Kelten zu begeistern und auf eine Reise mitzunehmen.
Ein weiterer Punkt bildet die Pflege der Kameradschaft und die Geselligkeit unter den Mitgliedern im Mittelalterverein. Im Zweck enthalten ist das Trainieren und Ausüben mittelalterlicher Kämpfe sowie die Vorbereitung darauf, inklusive aller Tätigkeiten, die zum Wohlbefinden des Körpers beitragen.
Es herrschen unsichere Zeiten
Wir hoffen diese Passion noch viele Jahre ausleben zu können und dabei immer mehr Leute zu begeistern, Kontakte zu knüpfen und an Events teilzunehmen.
Doch das Jahr 2020 birgt bisweilen viele Herausforderungen. Fast ausnahmslos alle Events wurden abgesagt oder verschoben und es gestaltet sich schwierig Kontakte zu pflegen und als Verein zu bestehen.
Wir als Fastnæmr Herjann nutzen die Zeit der Entschleunigung, um Projekte im Werkraum voranzutreiben und künftige Teilnahmen an Märkten und Spielen zu planen. Dabei bleibt auch genügend Zeit an den jeweiligen Charakteren zu schleifen und die Ausrüstung zu optimieren. Wir lassen uns nicht entmutigen und hoffen, dass sich die Situation bald bessert.
Wie ihr uns helfen könnt
Seit der Gründung des Vereins findet man uns als Fastnæmr Herjann auch auf Instagram. Wir erfreuen uns über jede Unterstützung, jeden Follow, Like oder Kommentar. Dort entdeckt ihr laufend, was wir alles herstellen und erleben oder wo wir anzutreffen sind.
Gerne könnt ihr uns auch kontaktieren. Wir sind offen für allfällige Kooperationen, Aufträge, Austäusche etc. Bitte beachtet, dass wir noch ein sehr junger Verein sind, welcher sich im Aufbau befindet.
Aktuell verzichten wir darauf, weitere in den Verein aufzunehmen. Gerne jedoch bilden wir Gruppen oder schließen uns welchen an, um an Events teilzunehmen und unsere Bekanntheit zu vergrößern. Vorzugsweise in der Schweiz, aber in Zukunft auch in den umliegenden Ländern.
Tutorial: Der Helm des Jarls
Da wir als Mittelalterverein des Schmiedens nicht mächtig sind, kauften wir uns alle als Grundlage bei Battle-Merchant den Gjermundbu Helm mit vernieteter Brünne, 2 mm Stahl (Art.Nr.: ULF-HM-32).
Doch schien dies unserem Jarl nicht genug und so machte er sich daran, eine Art «Upgrade» für den Helm zu planen. Dieses Unterfangen und die dazugehörigen Recherchen sollten ihn einige Monate beschäftigen. Untenstehende Bildercollage (siehe Bild 5) zeigt die Entstehung des Helms auf (von links oben nach rechts unten).
Schritt 1: Vorbereitung / Idee
Zur Sicherheit wurde die Spitze des Helms entfernt. Während Schaukämpfen, Trainings oder LARP-Events könnte es ansonsten zu unschönen Verletzungen kommen, würde Jarl Úlfr beispielsweise kopfüber in eine Gruppe fallen. Vorteil dabei ist, dass der Helm so noch gedrungener und wuchtiger wirkt.
Anschließend wurde in Büchern, Museen und im Internet nach authentischen Vollhelmen aus dieser Zeit gesucht. Nach genügend Inspiration folgten Zeichnungen und Muster, welche am Helm angebracht wurden.
Die Idee war es, die Backen-/ Kieferseiten mit einem Lederstück auszustatten. Dieses sollte mit einem Lederband umflochten und mit einer Münze und Vertiefungen dekoriert werden. Um genügen Schutz im Kampf zu haben aber auch Eindruck und Macht zu demonstrieren sollte das Ganze bis auf Schulterhöhe mit vernieteten Ringen umschlossen werden.
Schritt 2: Materialien und Werkzeuge
Für die Umsetzung wurden die nötigen Werkzeuge und die Materialien gekauft. Die Ringe kaufte Úlfr auch gleich bei BattleMerchant. Es bedarf ungefähr zwei Pakete der RRR 1 kg lose runde Ringe zum Vernieten, ID 8mm, unbehandelt (Art.Nr.: ULF-RRR-LR)». Sicherheitshalber können auch drei Pakete gekauft werden, dies weil man als ungeübter Flechter von Kettenschutz einiges an Verschleißmaterial erzeugt.
Unabdingbar beim Vernieten der Ringe ist eine Nietzange. Flachzangen erleichtern das Öffnen, Verschließen und Positionieren der Ringe. Ein Seitenschneider erleichtert es, falsch verarbeitete und bereits vernietete Ringe wieder zu entfernen.
Schritt 3: Das Leder zuerst
Doch zuerst erfolgte die Anfertigung der Lederstücke. Hierfür wurde einfach gegerbtes Rindsleder verwendet. Die Dicke des Leders kann nach Belieben gewählt werden. Es empfiehlt sich jedoch ein etwas dickeres Leder für die nötige Stabilität und Schutz. Mit einem Skalpell hat man die Stücke rasch ausgeschnitten. Auch ein Japanmesser sollte hierfür reichen. Im Anschluss wurden die Ränder mit einem Leder-Kantenschutz behandelt.
Mit einer Aale können die Löcher, für das Einflechten des Lederbandes, einfach angebracht werden. Danach ist etwas Fingergeschick gefragt und schon sind die Lederstücke umflochten. Der Jarl verband die beiden Teile sogleich mit der Flechtung. Mit einer Lochzange können die Befestigungen angebracht werden.
Schritt 4: Befestigungen
Mit einem leistungsstarken Akkubohrer und einem für Metall geeigneten Bohrkopf werden nun im Abstand von rund einem Centimeter Löcher am unteren Helmrand angebracht. Diese bilden den Ausgangspunkt für das Vereinigen des Lederstücke und des Helms sowie für das Anbringen der Ringe.
Schritt 5: Kettenflechten
Die Technik für das Verarbeiten der Ringe ist identisch wie das Herstellen von Kettenhemden oder Kettenhauben. Der Jarl erlernte dieses Handwerk von seinem Húskarl Ari. Aber auch auf Youtube gibt es zahlreiche Tutorials. Hierbei nur einige Tipps am Rande. Nehmt euch einige Stunden Zeit und vertieft euch in die Arbeiten. Zu kurze Arbeitseinheiten oder Pausen führen dazu, dass man den Überblick über das Geflecht und zudem die Konzentration verliert.
Auch mit dem Vernieten der Ringe sollte gewartet werden, bis man eine komplette Reihe zusammengefügt hat. Ansonsten verliert man beim Ausbessern eines Fehlers fast seine Nerven und verschwendet unnötig Zeit und Material.
Beachtet, dass ihr für das Kettengeflecht auf Schulter- und Halshöhe die Technik anpassen müsst, um am Ende nicht einen Schlauch, sondern eine aufgefächerte Form zu erhalten. Dies verständlich und in Kürze zu erklären, würde den hiesigen Rahmen sprengen. Zum Glück gibt es auch hier auf Youtube zahlreiche Videos.
Schritt 6: Pflege
Nach Beendigung jeder Arbeitseinheit behandelte Úlfr den Helm mit Rostschutz. Bedenkt dies, solltet auch ihr unbehandeltes Material verwenden. Denn durch die schwitzigen Hände kann das Material schneller Rost fangen.