Götterwelten im Wandel: Die Reise durch griechische und römische Mythologie
Die antiken Pantheons Griechenlands und Roms prägen bis heute unsere Vorstellung von Mythologie. Doch wie unterscheiden sie sich wirklich?
Aspekte der antiken Götterwelten
- Mythologie als Spiegel antiker Gesellschaften
- Kultureller Austausch zwischen Griechenland und Rom
- Wandel von Titanen zu Olympiern in der griechischen Mythologie
- Einfluss etruskischer Gottheiten auf römische Religiosität
Die Bedeutung der Mythologie in der Antike
In der Antike war Mythologie weit mehr als bloße Unterhaltung. Sie bildete das Fundament für Weltanschauung, Ethik und soziale Ordnung. Die Geschichten von Göttern und Helden dienten als moralischer Kompass und erklärten Naturphänomene in einer Zeit, in der wissenschaftliche Erklärungen noch in den Anfängen steckten.
Die Mythen spiegelten oft die gesellschaftlichen Strukturen wider. Die Hierarchie der Götter glich in vielerlei Hinsicht der menschlichen Gesellschaft – mit all ihren Intrigen, Machtkämpfen und familiären Verstrickungen. Dies machte die Götter für die Menschen greifbarer und verständlicher.
Griechisches und römisches Pantheon im Überblick
Bei genauerer Betrachtung offenbaren sich faszinierende Unterschiede zwischen den griechischen und römischen Götterwelten.
Die griechische Mythologie, älter und vielschichtiger, zeichnet sich durch eine Fülle von Geschichten und komplexen Beziehungen zwischen den Göttern aus. Die zwölf olympischen Götter bilden dabei nur die Spitze eines riesigen mythologischen Eisbergs.
Das römische Pantheon hingegen wirkt oft pragmatischer. Viele Gottheiten hatten sehr spezifische Zuständigkeitsbereiche, die eng mit dem Alltag der Römer verknüpft waren. So gab es beispielsweise Götter für einzelne Haushaltstätigkeiten oder landwirtschaftliche Prozesse.
Historischer Kontext und kultureller Austausch
Der kulturelle Austausch zwischen Griechenland und Rom war keineswegs eine Einbahnstraße. Zwar übernahmen die Römer viele griechische Götter und Mythen, passten sie jedoch ihren eigenen Bedürfnissen und Vorstellungen an.
Mit der Expansion des römischen Reiches kam es zu einer Vermischung verschiedener Kulte und Glaubensvorstellungen. Lokale Gottheiten wurden oft mit römischen Göttern gleichgesetzt, was zu einer Art religiösem Synkretismus führte.
Ursprünge und Entwicklung der Mythologien
Griechische Mythologie: Von den Titanen zu den Olympiern
Die griechische Mythologie erzählt von einer dramatischen Machtverschiebung: dem Sturz der Titanen durch die olympischen Götter. Diese Geschichte vom Kampf der Generationen spiegelt möglicherweise reale gesellschaftliche Umwälzungen wider.
Die Titanen, angeführt von Kronos, repräsentierten die urtümlichen Naturgewalten. Ihr Sturz durch Zeus und seine Geschwister markierte den Übergang zu einer strukturierteren Weltordnung. Diese neue Ordnung, verkörpert durch die olympischen Götter, war weniger chaotisch und besser organisiert – ähnlich wie die sich entwickelnden griechischen Stadtstaaten.
Römische Mythologie: Indigene Gottheiten und etruskische Einflüsse
Die römische Mythologie ist ein Puzzle aus verschiedenen Einflüssen. Lange bevor griechische Götter Einzug hielten, verehrten die Römer eine Vielzahl lokaler Gottheiten. Viele dieser ursprünglichen Götter waren eng mit der Landwirtschaft und dem häuslichen Leben verbunden.
Ein oft übersehener Aspekt ist der starke etruskische Einfluss auf die frühe römische Religion. Die Etrusker, ein hochentwickeltes Volk nördlich von Rom, beeinflussten nicht nur die römische Kunst und Architektur, sondern auch ihre religiösen Praktiken. Viele römische Rituale und Divinationstechniken haben etruskische Wurzeln.
Hellenisierung der römischen Religion
Mit der Expansion Roms und dem zunehmenden Kontakt zur griechischen Welt begann ein Prozess, den wir heute als 'Hellenisierung' bezeichnen. Griechische Götter wurden mit römischen Pendants gleichgesetzt, wobei oft subtile Unterschiede in Charakter und Funktion bestehen blieben.
Dieser Prozess war keineswegs reibungslos. Manche römische Gelehrte beklagten den Verlust 'echter' römischer Werte durch den griechischen Einfluss. Dennoch führte diese Verschmelzung zu einer reicheren, vielfältigeren Mythologie, die das gesamte Mittelmeergebiet prägte.
Hauptgottheiten im Vergleich
Himmlische Herrscher: Zeus und Jupiter
Zeus und Jupiter, die Könige der Götter in ihren jeweiligen Pantheons, teilen viele Gemeinsamkeiten, weisen aber auch interessante Unterschiede auf.
Zeus, der griechische Göttervater, wird oft als leidenschaftlich und manchmal launisch dargestellt. Seine zahlreichen Liebschaften mit Göttinnen und sterblichen Frauen sind Stoff für viele Mythen. Jupiter hingegen erscheint in der römischen Mythologie würdevoller und distanzierter. Er verkörpert stärker die Idee göttlicher Gerechtigkeit und staatlicher Ordnung.
Beide Götter werden mit dem Blitz assoziiert, doch während Zeus' Blitze oft Ausdruck seines Zorns sind, symbolisieren Jupiters Blitze eher göttliche Macht und Autorität.
Göttinnen der Weisheit: Athene und Minerva
Athene und Minerva, die Göttinnen der Weisheit und des strategischen Krieges, zeigen, wie sich Gottheiten in verschiedenen Kulturen entwickeln können.
Athene, aus Zeus' Kopf geboren, ist eng mit der Stadt Athen verbunden. Sie verkörpert nicht nur Weisheit und Kriegskunst, sondern auch Handwerk und Kunstfertigkeit. Ihre Rolle als Schutzgöttin Athens gibt ihr eine starke politische Dimension.
Minerva, obwohl von Athene abgeleitet, entwickelte in Rom eigene Charakterzüge. Sie wurde stärker mit Handel und Industrie in Verbindung gebracht – ein Aspekt, der die pragmatische Natur der römischen Gesellschaft widerspiegelt.
Kriegsgötter: Ares und Mars
Der Vergleich zwischen Ares und Mars offenbart vielleicht am deutlichsten die unterschiedlichen Wertesysteme der griechischen und römischen Kultur.
Ares, der griechische Kriegsgott, wurde oft als brutal und unberechenbar dargestellt. Er verkörperte die chaotische, zerstörerische Seite des Krieges und war bei den anderen Göttern nicht sonderlich beliebt.
Mars hingegen genoss in Rom höchstes Ansehen. Er symbolisierte nicht nur den Krieg, sondern auch die militärische Disziplin und Strategie, die Rom zu seiner Größe verhalfen. Darüber hinaus galt Mars als Schutzgott der Landwirtschaft und wurde mit dem Frühling und der Fruchtbarkeit in Verbindung gebracht – ein interessanter Kontrast zu seiner kriegerischen Natur.
Diese Unterschiede zwischen Ares und Mars spiegeln die unterschiedlichen Einstellungen zum Krieg in beiden Kulturen wider: Während die Griechen den Krieg oft als notwendiges Übel sahen, betrachteten die Römer ihn als Mittel zur Expansion und Sicherung ihrer Macht.
Weitere wichtige Gottheiten: Ein Blick in die olympischen Gemächer
Die Vielfalt der Gottheiten im antiken Pantheon spiegelt die Komplexität der griechischen und römischen Gesellschaft wider. Jede Gottheit verkörperte bestimmte Aspekte des Lebens und der Natur, die für die Menschen von Bedeutung waren.
Aphrodite und Venus: Die Göttinnen der Liebe und Schönheit
Aphrodite, in der römischen Mythologie als Venus bekannt, verkörperte die Liebe und Schönheit in all ihren Facetten. Ihre Ursprungsgeschichten unterschieden sich: Aphrodite entstieg der griechischen Sage nach dem Meeresschaum, während Venus in Rom als Ahnherrin des julischen Geschlechts galt.
Hades und Pluto: Die Herrscher der Unterwelt
Der griechische Hades und sein römisches Pendant Pluto regierten über das Reich der Toten. Sie waren keine bösen Gottheiten, sondern sorgten für Ordnung und Gerechtigkeit in der Unterwelt. Die Entführung der Persephone durch Hades, die die Römer mit Pluto und Proserpina übernahmen, erklärt den Wechsel der Jahreszeiten.
Poseidon und Neptun: Die Herren der Meere
Als Götter der Meere, Flüsse und Erdbeben beeinflussten Poseidon und Neptun das Leben der Menschen in der Antike erheblich. Seeleute und Fischer erbaten von ihnen sichere Überfahrten und reiche Fänge. In der griechischen Mythologie galt Poseidon als aufbrausend, während Neptun in der römischen Tradition gemäßigter erschien.
Hera und Juno: Die Göttinnen der Ehe und Familie
Als Ehefrauen von Zeus und Jupiter verkörperten Hera und Juno die Ideale der Ehe und Familie. Sie galten als Beschützerinnen der Frauen, insbesondere während Schwangerschaft und Geburt. Ihre Darstellungen zeigen sie oft mit einem Diadem, das ihre königliche Würde unterstreicht.
Apollon und Apollo: Die Götter der Künste und der Weissagung
Apollon, von den Römern als Apollo verehrt, stand für Musik, Dichtung, Heilkunst und Weissagung. Sein berühmtestes Orakel befand sich in Delphi, wo Pilger aus der ganzen antiken Welt Rat suchten. In der Kunst wurde er oft mit einer Lyra oder einem Bogen dargestellt.
Artemis und Diana: Die Göttinnen der Jagd und des Mondes
Artemis (römisch Diana), die Zwillingsschwester des Apollon, war die Göttin der Jagd, der Wildnis und des Mondes. Sie galt als Beschützerin junger Mädchen und wurde oft mit Pfeil und Bogen dargestellt. In Ephesos stand einer ihrer berühmtesten Tempel, der zu den Sieben Weltwundern der Antike zählte.
Hermes und Merkur: Die Götterboten und Schutzpatrone der Händler
Hermes, von den Römern Merkur genannt, war der Götterbote und Schutzpatron der Händler, Diebe und Reisenden. Seine Flügelschuhe und der Caduceus, ein geflügelter Stab mit zwei Schlangen, waren seine charakteristischen Attribute. In der römischen Tradition gewann Merkur zunehmend an Bedeutung für den Handel.
Dionysos und Bacchus: Die Götter des Weines und der Ekstase
Dionysos, den die Römer als Bacchus kannten, war der Gott des Weines, der Fruchtbarkeit und der Ekstase. Seine Feste, die Dionysien in Griechenland und die Bacchanalien in Rom, waren für ihre ausgelassenen Feierlichkeiten bekannt. Dionysos war einer der wenigen griechischen Götter, dessen Kult sich in Rom zu einem eigenständigen Mysterienglauben entwickelte.
Funktionen und Attribute: Die göttlichen Zuständigkeitsbereiche
Die Gottheiten der griechischen und römischen Mythologie hatten klar definierte Zuständigkeitsbereiche, die oft eng mit den Bedürfnissen und Ängsten der Menschen verbunden waren. Diese Funktionen boten Erklärungen für Naturphänomene sowie moralische und soziale Ordnungen.
Symbolische Attribute und ihre Bedeutung
Jede Gottheit besaß charakteristische Attribute, die ihre Funktionen und Macht symbolisierten. Diese Symbole dienten nicht nur der Identifikation in der Kunst, sondern vermittelten auch tiefere Bedeutungen:
- Der Blitz des Zeus/Jupiter symbolisierte seine Macht über Himmel und Erde.
- Die Eule der Athene/Minerva stand für Weisheit und scharfsinnige Beobachtung.
- Der Dreizack des Poseidon/Neptun verkörperte seine Herrschaft über die Meere.
- Die Fackel der Demeter/Ceres symbolisierte das Licht des Lebens und der Fruchtbarkeit.
Darstellungen in Kunst und Literatur
Die Darstellungen der Götter in Kunst und Literatur waren vielfältig und entwickelten sich im Laufe der Zeit. Frühe Darstellungen waren oft abstrakt oder symbolisch, während die Götter in der klassischen Periode zunehmend menschlich, aber idealisiert dargestellt wurden. In der hellenistischen und römischen Zeit wurden die Darstellungen noch lebendiger und dramatischer.
In der Literatur finden wir detaillierte Beschreibungen der Götter und ihrer Taten, von Homers Epen bis zu Ovids Metamorphosen. Diese Werke prägten nicht nur das Bild der Götter in der Antike, sondern beeinflussten auch die europäische Kunst und Literatur bis in die Neuzeit.
Die Funktionen und Attribute der griechischen und römischen Götter geben Einblick in die Denkweisen und Glaubensvorstellungen der antiken Welt. Sie zeigen, wie eng Religion, Gesellschaft und Kultur miteinander verwoben waren und wie die Menschen versuchten, die Welt um sich herum zu verstehen und zu erklären.
Mythen und Legenden: Das Herzstück der antiken Götterwelt
Die griechische und römische Mythologie bietet einen reichen Fundus an Geschichten, die bis heute faszinieren. Diese Erzählungen geben Einblick in die Denkweisen und Wertvorstellungen der antiken Kulturen.
Gemeinsame Erzählungen und ihre Variationen
Viele Mythen existieren in beiden Traditionen, weisen jedoch oft subtile Unterschiede auf. Die Geschichte von Orpheus und Eurydike etwa findet sich in griechischer und römischer Überlieferung. Während die griechische Version die tragischen Aspekte betont, hebt die römische Fassung die Kraft der Liebe hervor.
Der Mythos von Proserpina (römisch) bzw. Persephone (griechisch) zeigt ebenfalls kulturelle Nuancen: Die römische Version betont stärker die landwirtschaftliche Bedeutung, was die Wichtigkeit der Agrarkultur in der römischen Gesellschaft widerspiegelt.
Einzigartige griechische und römische Mythen
Beide Kulturen haben auch eigenständige Erzählungen hervorgebracht. Die Odyssee, ein Epos über die Irrfahrten des Odysseus, wurzelt tief in der griechischen Seefahrertradition und verkörpert hellenische Werte wie Klugheit und Ausdauer.
Die römische Gründungslegende von Romulus und Remus hingegen spiegelt römische Tugenden wie Stärke und Durchsetzungsvermögen wider und legitimiert den Machtanspruch Roms.
Heldensagen und ihre göttlichen Verbindungen
In den Heldensagen verknüpfen sich menschliche und göttliche Sphären. Herakles (griechisch) bzw. Hercules (römisch), Sohn des Zeus/Jupiter, verkörpert diese Verbindung. Seine zwölf Arbeiten sind nicht nur Abenteuergeschichten, sondern auch Allegorien für menschliche Tugenden und Laster.
Aeneas, der trojanische Prinz und mythische Gründer Roms, dessen Geschichte Vergil im Nationalepos 'Aeneis' verewigte, verbindet geschickt griechische und römische Elemente und untermauert Roms Herrschaftsanspruch durch göttliche Abstammung.
Kulte und Verehrung: Religiöse Praktiken der Antike
Die Götterverehrung durchdrang in der Antike alle Lebensbereiche. Ein Blick auf die Praktiken der Griechen und Römer offenbart die Tiefe ihrer religiösen Überzeugungen.
Tempel und Heiligtümer
Imposante Tempelbauten wie der Parthenon in Athen oder der Jupitertempel auf dem Kapitol in Rom bildeten die Zentren des religiösen Lebens. Auch kleinere Schreine in Häusern oder an Wegkreuzungen zeugen von der Allgegenwart der Götter im Alltag.
Priesterschaft und religiöse Ämter
Spezialisierte Priester vermittelten zwischen Göttern und Menschen. In Rom hüteten die Vestalinnen das heilige Feuer der Vesta, während Auguren den Willen der Götter aus dem Vogelflug deuteten. In Griechenland spielten Orakelpriester wie die Pythia in Delphi eine zentrale Rolle.
Opfergaben und Rituale
Opfergaben dienten dazu, die Götter gnädig zu stimmen. Dies konnten Tiere, Feldfrüchte oder Weihgaben sein. Bei Tieropfern wurde oft nur ein Teil verbrannt, den Rest verzehrten die Gläubigen in einer Art heiliger Mahlzeit. Rituale wie Waschungen, Gebete oder Prozessionen begleiteten diese Handlungen.
Feste und religiöse Feiern
Das religiöse Jahr war von zahlreichen Festen geprägt. In Griechenland feierten die Menschen die Panathenäen zu Ehren der Athene oder die Dionysien. In Rom begingen sie die Saturnalien, ein Fest im Dezember, bei dem die sozialen Hierarchien kurzzeitig aufgehoben wurden.
Orakel und Prophezeiungen: Blicke in die Zukunft
Der Wunsch, die Zukunft zu ergründen, ist ein uraltes menschliches Bedürfnis. In der Antike spielten Orakel dabei eine zentrale Rolle.
Delphi und die Pythia
Das Orakel von Delphi galt als das bedeutendste der antiken Welt. Hier verkündete die Pythia, eine Priesterin des Apollon, in Trance ihre oft mehrdeutigen Prophezeiungen. Staatsmänner und Bürger pilgerten hierher, um in wichtigen Lebensfragen Rat zu erhalten. Die zweideutigen Sprüche der Pythia sind berühmt, wie etwa die Weissagung an Krösus, er werde ein großes Reich zerstören – dass es sein eigenes sein würde, ahnte er nicht.
Sibyllinische Bücher
In Rom konsultierte man die Sibyllinischen Bücher, eine Sammlung von Prophezeiungen, die der Sibylle von Cumae zugeschrieben wurden. Spezielle Priester befragten diese Schriften in Krisenzeiten, um den Willen der Götter zu ergründen und Rituale zur Abwendung von Unheil durchzuführen.
Augurenkollegium in Rom
Eine Besonderheit der römischen Religion war das Augurenkollegium. Diese Priester deuteten den göttlichen Willen aus dem Flug der Vögel, dem Verhalten von Hühnern beim Fressen oder aus Blitzen. Kein wichtiger Staatsakt konnte ohne ihre Zustimmung stattfinden. Bemerkenswert ist, dass viele römische Politiker selbst Auguren waren – ein Hinweis auf die enge Verflechtung von Religion und Politik in der Antike.
Die Welt der antiken Götter, ihrer Mythen und Kulte zeichnete sich durch eine beeindruckende Vielfalt aus. Sie bot den Menschen Erklärungen für die Rätsel des Daseins und gab ihrem Leben Struktur und Sinn. Die Tiefe und der Reichtum dieser Vorstellungen können auch heute noch als Quelle der Inspiration dienen.
Synkretismus und kultureller Austausch: Wie die Götter verschmolzen
Im Laufe der Jahrhunderte vollzog sich ein bemerkenswerter Prozess der Angleichung zwischen den griechischen und römischen Gottheiten. Dies war ein komplexes Wechselspiel kultureller Einflüsse.
Die Verschmelzung der Pantheons
Die Römer erkannten in den griechischen Göttern Ähnlichkeiten zu ihren eigenen Gottheiten. So wurde Zeus mit Jupiter gleichgesetzt, Athene mit Minerva und Ares mit Mars. Dieser Prozess, als Interpretatio Romana bekannt, bereicherte die römische Mythologie. Die griechischen Mythen und Attribute wurden übernommen und den römischen Göttern zugeschrieben, was ihre Charaktere vertiefte und erweiterte.
Östliche Einflüsse: Neue Kulte in Rom
Die religiöse Landschaft des Römischen Reiches blieb nicht auf griechische und römische Gottheiten beschränkt. Mit der Expansion des Reiches kamen die Römer in Kontakt mit zahlreichen östlichen Kulten. Besonders populär wurden die Mysterienkulte der Isis aus Ägypten und des Mithras aus Persien.
- Der Isiskult: Die ägyptische Göttin Isis fand im ganzen Reich Verehrung. Ihr Kult versprach persönliche Erlösung und ewiges Leben.
- Mithras: Der persische Lichtgott wurde besonders bei Soldaten beliebt. Seine Mysterien betonten Tapferkeit und Treue.
Diese Kulte brachten neue religiöse Vorstellungen und Praktiken ins Reich, die das religiöse Leben bereicherten und veränderten.
Vergöttlichung von Herrschern: Wenn Menschen zu Göttern werden
Ein besonderes Phänomen war die Vergöttlichung von Herrschern. Diese Praxis, die ihren Ursprung im hellenistischen Osten hatte, fand Eingang in die römische Welt. Augustus, der erste römische Kaiser, wurde nach seinem Tod zum Gott erklärt. Diese Tradition setzte sich fort und wurde zu einem wichtigen Element der kaiserlichen Ideologie.
Der tiefgreifende Einfluss auf Kultur und Gesellschaft
Die griechische und römische Mythologie durchdrang nahezu alle Bereiche des antiken Lebens. Ihr Einfluss erstreckte sich weit über den religiösen Bereich hinaus und prägte Kunst, Literatur, Philosophie und sogar das Staatswesen nachhaltig.
Ein Quell der Inspiration: Mythologie in Literatur und Kunst
Die Mythen der Götter und Helden inspirierten Dichter, Schriftsteller und bildende Künstler. Von Homers Epen über Ovids Metamorphosen bis hin zu den Skulpturen des Phidias – die antike Mythologie bot Stoff für unzählige Meisterwerke. Diese künstlerischen Darstellungen trugen wiederum dazu bei, die Vorstellungen von den Göttern zu formen und zu verfeinern.
Göttliche Weisheit: Einfluss auf Philosophie und Ethik
Die Götter und ihre Geschichten dienten auch als Ausgangspunkt für philosophische Betrachtungen. Platons Dialoge etwa greifen häufig auf mythologische Erzählungen zurück, um komplexe philosophische Konzepte zu veranschaulichen. Die Stoa wiederum interpretierte die Götter allegorisch als Naturkräfte oder ethische Prinzipien.
Göttlicher Segen für den Staat
Im politischen Leben spielten die Götter eine zentrale Rolle. Staatliche Handlungen wurden durch religiöse Rituale legitimiert, und wichtige Entscheidungen erst nach Befragung der Götter durch Orakel oder Auspizien getroffen. Die Verehrung bestimmter Gottheiten wurde zum Ausdruck politischer Loyalität, wie etwa der Kaiserkult im Römischen Reich.
Das Erbe der antiken Götter: Von der Spätantike bis heute
Mit dem Aufstieg des Christentums begann der langsame Niedergang der alten Religionen. Doch verschwanden die antiken Götter keineswegs vollständig aus dem kulturellen Gedächtnis.
Christentum und der Niedergang der alten Religionen
Der Prozess der Christianisierung war langwierig und komplex. Während die offizielle Verehrung der alten Götter zurückging, lebten viele ihrer Aspekte in christlicher Verkleidung weiter. Heilige übernahmen Funktionen der alten Götter, und christliche Feste wurden auf Termine heidnischer Feiertage gelegt.
Wiedergeburt in der Renaissance
Mit der Renaissance erlebte die antike Mythologie eine Wiederbelebung. Künstler und Gelehrte entdeckten die alten Mythen neu und machten sie zu einem zentralen Thema ihrer Werke. Die Götter des Olymp bevölkerten erneut die Leinwände und Skulpturen der großen Meister.
Mythen im modernen Gewand
Auch in der Moderne haben die antiken Mythen ihre Faszination bewahrt. Sie finden sich in der Literatur, im Film und sogar in Videospielen wieder. Die alten Geschichten werden neu interpretiert und an moderne Fragestellungen angepasst.
Zeitlose Götter: Was uns die antike Mythologie heute noch sagt
Die griechischen und römischen Götter waren mehr als bloße religiöse Figuren. Sie verkörperten grundlegende menschliche Erfahrungen und Sehnsüchte, die auch heute noch relevant sind. In ihren Geschichten spiegeln sich zeitlose Themen wie Liebe, Macht, Schicksal und die Suche nach dem Sinn des Lebens.
Die vergleichende Betrachtung der griechischen und römischen Pantheons offenbart nicht nur Gemeinsamkeiten und Unterschiede, sondern auch die Dynamik kulturellen Austauschs. Sie zeigt, wie Religionen und Kulturen sich gegenseitig beeinflussen und bereichern können.
In einer Zeit, in der wir mit unterschiedlichen Kulturen und Weltanschauungen konfrontiert sind, kann uns die Beschäftigung mit den antiken Göttern lehren, Vielfalt als Bereicherung zu begreifen. Die alten Mythen laden uns ein, über grundlegende Fragen des Menschseins nachzudenken und unseren Blick für das Wunderbare und Geheimnisvolle zu schärfen.
So bleiben die Götter des Olymp und des römischen Pantheons lebendige Gestalten unserer kulturellen Imagination – Zeugen einer fernen Vergangenheit und zugleich Wegweiser für die Gegenwart und Zukunft.